Bleiben wir standhaft, bleiben wir in der Mitte

Die Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen hat in Deutschland und in der liberalen Familie für nachhaltige Turbulenzen gesorgt. In der Gesamtschau der Ereignisse wurde dem Vertrauen in demokratische Strukturen und in die FDP damit geschadet. Dabei tragen alle Parteien ihren Anteil. Ein menschliches Urteil über die Person von Thomas Kemmerich und in Hinblick auf den Landesverband Thüringen steht uns nicht zu. Unabhängig von der Schuldhaftigkeit ergab sich aus und deren Folgen ein massiver Schaden für die FDP und liberale Einstellungen in Deutschland. Ziel muss es sein, Vertrauen zurückzugewinnen und eine weitere Spaltung unserer Gesellschaft zu verhindern. Zudem ergibt aus den Folgen das Potenzial einer Spaltung innerhalb der FDP und des liberalen Spektrums. Deshalb fordern wir alle Beteiligten zur Geschlossenheit auf. Was passiert, wenn parteiinterne Konflikte öffentlich ausgetragen werden, hat die FDP bereits 2013 bitter zu spüren bekommen. Damit es nicht dazu kommt, sind aus unserer Sicht folgende Feststellungen wichtig:

  1. Die Jungen Liberalen und die FDP stehen für eine offene und freiheitliche Gesellschaft, die von Respekt und einer sachorientierten Konfliktlösung geprägt wird. Ob Herkunft oder Meinung – wir begreifen Vielfalt als Bereicherung. Wir setzen uns aktiv für eine Stärkung dieser Ziele ein.
  2. Wir stellen uns klar gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Tendenzen und Personen des öffentlichen Lebens, die diese verkörpern. Angesichts unserer historischen Verantwortung, lehnen wir jede Art von menschenfeindlichen Hetze, Rassismus, Relativierungen der Verbrechen der NS-Zeit und des Holocausts oder Äußerungen, die derartigen Ideologien Vorschub leisten, ab und fordern eine entschlossene Ahndung. Ziel muss es sein, dass auch bürgerliche Kräfte diesen Tendenzen noch entschiedener entgegentreten.
  3. Wir betrachten die AfD als einen unserer politischer Hauptkontrahenten. Die Ausrichtung und Ziele dieser Partei, gerade in gesellschaftspolitischer Hinsicht, sind für uns als Antipol von freiheitlichen Werten zu betrachten. Wir wollen die AfD im politischen Umfeld klein halten. Um dies zu erreichen, müssen wir Menschen, die die AfD gewählt haben von unseren Werten und Idealen überzeugen. Dies gelingt aber nur dadurch, dass wir unsere Ideen erklären, diese konsequent vertreten.
  4. Konsequenz aus der massiven Spaltung und Polarisierung, die sich auch aus den Folgen der Vorgänge in Thüringen verstärkte, kann nur ein Mehr an Sachlichkeit, Respekt, Toleranz und gegenseitigen Zuhören sein. Deshalb lehnen wir Äußerungen und Handlungen von allen Seiten ab, die persönliche Anfeindungen beinhalten oder zur Zuspitzung beitragen. Dies gilt insbesondere für absolut unangebrachte historische Gleichsetzungen zur Weimarer Republik, zur DDR und zum Dritten Reich.
  5. Die Zustimmung zu oder Ablehnung von Sachanträgen aller Parteien soll auch künftig eine Einzelfallentscheidung bleiben und sich an den Inhalten und deren Richtigkeit orientieren. Strukturelle Zusammenarbeit und größere Gesetzesinitiativen mit der AfD, die über diese Einzelfallentscheidungen hinausgehen, lehnen wir ab.
  6. Es bedarf einer intensiven Aufarbeitung der internen und externen Kommunikation durch die Landes- und Bundesführung der FDP sowie der Jungen Liberalen. Wir sehen Nachholbedarf in der Reaktionsgeschwindigkeit, der Entscheidungsfähigkeit und dem Management in Krisensituationen. Zudem müssen dementsprechende Beschlüsse konsequent umgesetzt werden. Andererseits sollten sich Untergliederungen und einzelne Verantwortungsträger zunächst in Zurückhaltung üben, bis sich die Sachlage konkretisiert hat und eine gemeinsame Strategie festgelegt wurde.
  7. Der Begriff der “klassischen politischen Mitte” kann in den ostdeutschen Bundesländern nur noch schwer an den klassischen Parteigrenzen festgemacht werden. Um angesichts der neuen politischen Arithmetik und unklarer Mehrheitsverhältnisse stabile Regierungen zu ermöglichen, muss eine Tolerierung von Bündnissen abseits einer klassisch liberal-bürgerlicher Einstellung grundsätzlich möglich sein. Alle derartigen Absprachen müssen aber durch einen Parteitagsbeschluss legitimiert werden. Ausdrücklich hiervon ausgenommen sind rechtsradikale Parteien wie die AfD. Eine Tolerierung durch derartige Parteien oder Regierungsbildungen, die auf derartige Parteien angewiesen sind, lehnen wir ab. Gleiches gilt für Regierungsbildungen unter Einschluss anderer rechts- und linkspopulistischer Parteien.
  8. In Zukunft muss die FDP verstärkt bereit sein, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wir begrüßen es, wenn sich Abgeordnete der FDP als liberale Alternative zu rechts- und linkspopulistischen Kandidaten aufstellen lassen.
  9. Dafür müssen aber die strukturellen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden und die Kandidatur um einen Regierungsauftrag darf nur dann erfolgen, wenn sie in allen Konsequenzen voll durchdacht ist. Richtungsweisende Regierungsoptionen müssen grundsätzlich viel stärker mit der Basis abgestimmt werden.
  10. Innerparteiliche Rücktrittsforderungen im Affekt des Geschehens lehnen wir ab. Im Nachgang muss eine sachliche Analyse stattfinden. Sollten sich darin persönliche, strategische oder inhaltliche Verfehlungen bestätigen, dann müssen entsprechende personelle Konsequenzen folgen.
  11. Der politische Diskurs muss endlich wieder von Sachdebatten statt von Personaldebatten bestimmt werden.
  12. Im Parlament betrachten wir alle politischen Parteien als Kontrahenten, nicht aber als Feinde. Physische und verbale Gewalt ist kein legitimer Ausdruck eines gesellschaftlichen Diskurses. Deshalb verurteilen wir alle Angriffe auf Politiker, Anhänger und Mitarbeiter aller Parteien aufs schärfste und fordern gerade im politischen Umgang mehr gegenseitigen Respekt ein

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