Kommentar: Solidarität heißt nicht nur fremdes Geld verteilen

Von Max Follmer

Angesichts der Tatsache, dass über die tatsächliche Ausbreitung und die gesundheitliche Gefährdung durch das chinesische Coronavirus immer noch wenig verlässliches Datenmaterial vorliegt, sind die staatlich auferlegten Einschränkungen zur Eindämmung grundsätzlich richtig. Nach der Krise muss deren Wirksamkeit jedoch genau untersucht und für die Zukunft neue Maßnahmenpläne aufgestellt werden, die bei minimaler Einschränkung maximalen Schutz bieten. Doch bereits jetzt muss wieder nachvollziehbar sein, warum welche Regeln wo durchgesetzt werden, denn bei dem aktuellen Vorgehen kommt schnell der Verdacht der Willkür auf. Eine breite Debatte über sinnvolle Lockerungen ist daher schon heute richtig und wichtig.

Für den wirtschaftlichen Schaden, der durch das Kontaktverbot entsteht, müssen Bürger und Unternehmen selbstverständlich, schnell, unbürokratisch und gezielt vom Staat entschädigt werden. Hier zeigt sich im Übrigen nicht, dass ein starker Staat notwendig ist, um ein angebliches Marktversagen auszugleichen. Im Gegenteil zahlt der Staat den Bürgern hier nur ihr eigenes Steuergeld zurück, während die hohe Abgabenlast in Deutschland bisher verhindert hat, dass Menschen und Unternehmen privat für eine Krise vorsorgen können. Dies wäre deutlich günstiger und effizienter gewesen als die staatliche Zwangsversicherung, die nun eingreifen muss. Denn private Vorsorge und Versicherungen lassen sich flexibel an das eigene Risiko und anpassen. Auch stehen sie nicht unter dem Einfluss von Lobbygruppen, die jetzt Millionenbeträge zu Unternehmen lenken, die diese nicht benötigen oder schon vor der Corona-Krise quasi pleite waren.

Neben den Wirtschaftshilfen werden auch die Mehrkosten im Gesundheitssystem und die Folgen der hoffentlich kleinen aber mit Sicherheit eintretenden Wirtschaftskrise zu bewältigen sein. Schon jetzt werden Rufe nach höheren Steuern und einer Vermögensabgabe laut, denn starke Schultern sollen gerade in Krisenzeiten ja auch mehr tragen. Dabei wird gerne vergessen oder noch schlimmer geflissentlich ignoriert, dass unser Steuersystem bereits heute stark progressiv ist. So zahlen die oberen zehn Prozent der Haushalte 50 Prozent der Einkommens- und 18 Prozent der Mehrwertsteuer, während sich die stärkste Schulter im Land äußerst unsolidarisch zeigt.

Bund und Länder haben gemeinsam den viertgrößten Staatshaushalt der Welt und allein für dieses Jahr sieht nur der Bund Einnahmen in Höhe von 484.487.192.000 Euro vor. Zwar wurden bereits generös hohe Ausgaben angekündigt, doch zahlt der Staat dabei auch nur den Bürgern ihr eigenes Steuergeld zurück. Wenn er tatsächlich solidarisch sein will, müssen die oben genannten Maßnahmen durch Budgetbeschränkungen an anderen Stellen finanziert werden. Eine Bereitschaft hierfür ist in der Politik leider nicht erkennbar, denn es ist doch immer leichter etwas von anderen einzufordern, statt selbst Verzicht zu üben. Während die Abgeordneten zumindest eine Erhöhung ihrer Diäten aussetzen, halten sie gleichzeitig eisern an den Wahlgeschenken für die eigene Klientel fest. Dafür sollen „die Reichen“ mehr abgeben, ungeachtet dessen, dass sich gerade bei Mittelständlern das Vermögen aus dem Betrieb zusammensetzt und eine Vermögenssteuer hier für bereits angeschlagenen Betriebe das wirtschaftliche Aus bedeuten wird. Statt die einsetzende Krise also noch weiter zu verschlimmern, sollte stattdessen die Mehrwertsteuer dauerhaft auf fünf Prozent gesenkt sowie Hinzuverdienste bei Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern von Steuern und Sozialabgaben befreit werden. Dies würde Geringverdienern und angeschlagenen Branchen bei der Überwindung der Krise besser helfen als jede populistische Reichensteuer.

Auch auf europäischer Ebene ist echte finanzielle Solidarität problemlos möglich. Statt mit Eurobonds, die erst langwierig umgesetzt werden müssen und später nur geringe Zinsersparnisse bringen, kann den besonders betroffenen Staaten schnell und unkompliziert geholfen werden, indem ihnen ihr EU-Mitgliedsbeitrag ganz oder zumindest teilweise erlassen wird. Bei Italien wären das immerhin 15 Milliarden Euro zusätzliche Liquidität, ohne das Problem der hohen Staatsschuldenquote noch weiter zu verschlimmern. Die Ausfälle können neben den finanzstarken Ländern, die von einem größeren Einfluss auf den Haushalt profitieren, auch hier durch Kürzungen aufgefangen werden. So bietet sich eine einmalige Gelegenheit die größten Steuergeldgräber innerhalb der EU endlich zu schließen. Anfangen kann man bei den Agrarsubventionen.